Am Freitagmorgen, noch vor Sonnenaufgang habe ich einen jungen und wunderschönen Menschen gesehen. Er ging durch die Straßen einer Stadt und er schob einen Wagen vor sich her. Dieser Wagen war
gefüllt mit neuer und sehr schöner Kleidung. Und er rief mit lauter und klarer Stimme:
„Kleidung!“
Und diese Stimme war so klar und schön, sodass die Morgenluft einem wie abgestanden vorkam. Und das Licht des Sonnenaufgangs war nicht mit dem Klang seiner Stimme zu vergleichen.
„Kleidung! Tauscht eure alte gegen neue Kleidung! Ich nehme eure Alte und gebe euch stattdessen ganz Neue! Kleidung!“
Na sowas, dachte ich. Denn es war ein großer, kräftiger und starker Mann und seine Augen strahlten vor Weisheit. Wäre es nicht möglich sich eine einfachere Arbeit zu suchen, anstatt alten Kram in
verarmten Städten zu verteilen?
Ich folge ihm, denn ich war neugierig. Und ich wurde nicht enttäuscht.
Schon bald begegnete der Händler einer Frau, die auf der Veranda ihres Hauses saß. Sie weinte und schluchzte und vergrub ihr Gesicht in einem Tuch. Ihr Herz zerriss in viele Stücke, ihr ganzer
Körper drückte unvorstellbares Leid aus.
Der Händler hielt seinen Wagen an. Ruhig ging er auf die Frau zu, ganz vorsichtig ging er durch den Vorgarten. Er ging vorbei an alten Flaschen, kaputten Spielsachen und lauter altem Kram. „Gib
mir doch dein altes Tuch“, sagte er sanft. „Ich gebe dir stattdessen ein neues.“
So nahm er der Frau vorsichtig das alte Tuch aus ihren Händen. Sie hob ihren Kopf und er legte ihr ein neues Tuch in die Hand. Dieses Tuch war so rein und neu, dass es so wie die Sonne strahlte.
Zunächst schaute die Frau ganz erstaunt zum Händler und dann ungläubig auf das Geschenk.
Und dann ging der Mann zu seinem Wagen und machte etwas eigenartiges. Er nahm das alte, schmutzige und gebrauchte Tuch und weinte genauso bitterlich, wie es die Frau zuvor tat.
Er weinte genauso laut und verzweifelt wie die Frau. Seine Schultern bebten vor Leid. Die Frau jedoch vergoss keine einzige Träne mehr.
Das ist ja ein Ding, dachte ich. Mir blieb der Atem weg und ich folgte dem schluchzenden Mann wie ein Kind, welches den Blick von einem Wunder nicht abwenden kann.
„Kleindung! Kleidung!
Tauscht die Alte gegen Neue!“
Nach einiger Zeit, als der Himmel grau wurde, konnte man zerrissene Vorhänge in den Fenstern der alten Häuser sehen.
Der Händler beugte sich zu einem Mädchen hinunter. Sie hatte einen Verband um den Kopf und ihre Augen strahlten Leere aus. Durch den Verband tropfe Blut und das Blut lief ihr Gesicht
herunter.
Voller Mitgefühl blickte der Händler das Mädchen an und holte aus seinem Wagen einen wunderschönen großen gelben Hut.
„Gib mir deinen Verband“, sagte er, während er ihr über die Wange strich. „Ich gebe dir einen anderen“.
Das Kind schaute ihn nur verwundert an, als er ihr den Verband abnahm und ihn stattdessen um seinen eigenen Kopf legte. Dem Mädchen setzte er den neuen Hut auf.
Und ich konnte nicht glauben, was ich sah: Mit dem Verband verschwand auch die Wunde!
Nun tropfe das Blut von seinem Kopf und floss dick und rot in sein Gesicht, denn es war sein eigenes Blut.
„Kleindung! Kleidung! Tauscht die Alte gegen Neue!“ Es rief ein blutender, weinender Händler, der sehr stark und weise war. Die Sonne ging auf und es schien so, als würde sich der Mann immer mehr beeilen.
„Wirst du zur Arbeit gehen?“, frage er einen Mann, der sich gegen eine Mauer lehnte.
Dieser Mann schüttelte einfach nur den Kopf.
Der Händler fragte ihn: „Hast du etwa keine Arbeit?“.
Er antwortet ihm lachend: „Hast du deinen Verstand verloren?“ Er ging von der Mauer weg und zeigte ihm den rechten Ärmel seiner Jacke. Der Ärmel war leer, er steckte lediglich in der
Jackentasche. Dieser Mann hatte keinen Arm.
„Hör mir zu“, sagte der Händler „gib mir deine alte Jacke und ich gebe dir meine eigene!“ In seiner Stimme war unbeschreiblich viel Macht und Ruhe. Und der einarmige Mann zog seine Jacke aus.
Das gleiche tat auch der Händler – und ich konnte kaum glauben, was ich als nächstes sah. Der Arm des Händels blieb in dem Ärmel seiner Jacke. Und als der einarmige Mann die Jacke des Händlers anzog, hatte er wieder zwei gesunde und starke Arme.
Dem Händler aber, blieb nur ein Arm. „Geh arbeiten!“, sagte der Händler.
Nach diesem Ereignis sah er einen Alkoholiker, welcher bewusstlos unter einer Decke lag. Er war krank, völlig ausgehungert und verkrüp-pelt. Der Händler nahm seine Decke und legte sie um sich.
Stattdessen lies er dem Alkoholiker seine eigenen, neuen Klamotten da.
Nun musste ich schon rennen, um dem Händler noch folgen zu können.
Auch wenn er schluchzte und weinte und die Wunde an seinem Kopf immer weiter blutete, schob er mit dem einen Arm, den er noch hatte immer weiter seinen Wagen vor sich her. Er stolperte und
schwankte, wie ein Betrunkener. Immer wieder fiel er hin und stand wieder auf. Er war nun kraftlos, alt und krank und dennoch bewegte er sich sehr schnell.
Der Gang des Händlers war schwerfällig und mutlos, aber er durchquerte die ganze Stadt, bis er sie schließlich verließ. Ich weinte, als ich sah, wie er sich verändert hat. Mir tat es weh sein Leiden zu sehen. Und ich wollte noch immer wissen, wohin er es so eilig hatte und vor allem wieso.
Ein kleiner, buckeliger Mann war unterwegs zur Müllhalde. Er kam bei der Müllhalde an. Ich wollte zu ihm hingehen und ihm helfen, aber stattdessen versteckte ich mich.
Er ging einen kleinen Hügel hinauf. Mit großer Mühe schaufelte er sich einen kleinen Platz frei, atmete tief ein und legte sich hin. Dann legte er seinen Kopf auf das alte, schmutzige Tuch und
auf die Jacke und deckte sich mit der alten Decke zu. Dann starb er.
Ich weinte bitterlich, als mir klar wurde, dass er jetzt nicht mehr da ist. Ich setzte mich in mein altes Auto und fing schrecklich zu weinen an, denn ich habe den Händler mittlerweile sehr
liebgewonnen. Es schien mir als würden alle anderen Gesichter im Vergleich zu ihm verblassen. Ich konnte nicht mehr ohne ihn leben. Aber er starb. Ich weinte so lange, bis ich schließlich
einschlief.
Als ich aufwachte, fiel mir auf, dass ich den gesamten Freitag, Samstag und Sonntag verschlafen habe.
Aber am Sonntagmorgen wachte ich plötzlich auf. Ein helles, starkes und mächtiges Licht strahlte mir ins Gesicht. Und in diesem Licht, sah ich das letzte und unvorstell-barste Wunder. Ich sah den
Händler! Ordentlich legte er Decken zusam-men, an seiner Stirn hatte eine Narbe, aber er war lebendig. Und zu alledem war er vollkom-men gesund. Es war keine Spur mehr von Leid, Krankheit oder
Alter zu sehen. Und die gesamte alte Kleidung, die er zuvor eingesammelt hatte, strahlte vor Reinheit und Frische.
Ich senkte meinen Kopf und erstaunt über all das, was ich zuvor gesehen habe. Dann ging ich auf den Händler zu. Voller Scham nannte ich ihm meinen Namen, denn neben ihm kam ich mir vor wie ein
Niemand.
Dann zog ich all meine Kleidung aus und sagte ihm: „Kleide mich neu ein.“
Und der Händler gab mir neue Kleidung. Mein Gott gab mir neue Kleidung und ich selbst habe mich unglaublich wegen ihm verändert.
Der Händler, ja der Händler ist Jesus Christus.